SOLAWI

Zuerst dachte ich, es sei der Name einer neuen deutschen Kolonie in Afrika. Das war falsch. Dann hielt ich es für einen Begriff aus der Energiewende. Von der fossilen Wirtschaft zur Solarwirtschaft, kurz SOLAWI. Auch falsch, müsste dann ja auch SOLARWI heißen. Also so what bzw. um im Sprachgebrauch zu bleiben SOLAWAS oder SOLAWIE? Nun las ich das Kleingedruckte, die Abkürzung steht für „SOLIDARISCHE LANDWIRTSCHAFT“. Wer ist mit wem solidarisch? Die Grafik auf der Innenseite des Flyers erläutert dann das Prinzip: Viele (das sind wir) geben dem Mann mit der Mistforke Geld (das Prinzip kennen wir). Nun gedeiht es auf den Feldern und im Gewächshaus prächtig und ein Auto fährt zu den Vielen (also zu uns) und bringt riesengroße Tomaten, Möhren, Rotebeete und allerhand Grünzeug. Die Frage, wer mit wem solidarisch ist, ist dadurch noch nicht beantwortet. Also ins Detail: Wir verpflichten uns, der Gärtnerei monatlich 80,- Euro zu zahlen. Dafür bekommen wir einen Ernteanteil. Der Unterschied zur Abokiste besteht darin, dass die Menge die wir bekommen variabel ist und wir es just bekommen, nachdem es geerntet wurde. Na klar gibt es Äpfel, die man im Oktober erntet und die im Februar dann richtig gut schmecken. Doch welcher Städter weiß schon, welche Sorten das sind und wer von uns hat die Möglichkeit, Äpfel so zu lagern, dass sie nach vier Monaten noch richtig gut schmecken? Was machen wir mit einem Zentner Möhren wo wir sonst doch nur ein Pfund davon kaufen? Benötigen wir also plötzlich landwirtschaftliches Fachwissen wo es früher reichte, zu wissen wo im Supermarkt die Kasse ist? Gibt es in unseren energieeffizienten Gebäuden noch eine „kühle Kammer“ in der wir Nahrungsmittel lagern können? Oder sollen wir die knappe und teure Wohnfläche für irgendeinen „smart Kühlschrank“ mit 2 m³ Fassungsvermögen und integrierter Kartoffelkellerfunktion hingeben und so zum Prosumenten der Stromspeicherwirtschaft werden? Was ist, wenn eine Hungersnot über das Land kommt? Haben wir dann irgendeinen Anteil am Landwirtschaftlichen Betrieb der unseren Ernteanteil auch in dieser Situation absichert? Leider nein, die Solidarität besteht nur einseitig darin, dem Landwirt ein gesichertes Einkommen zu ermöglichen. Wie heißt die Lösung? Die gibt es seit langer Zeit, das ist die Produktionsgenossenschaft. Konsumenten und Produzenten schließen sich in einer Genossenschaft zusammen. Die Konsumenten zeichnen Genossenschaftsanteile und werden dadurch zum Miteigentümer an dem Produktionsbetrieb. Der Landwirtschaftliche Betrieb beliefert die Genossen und ist ansonsten auch auf dem Markt unterwegs, das heißt er Verkauft an Dritte, wenn er mehr produziert als die Genossen benötigen und ggf. kauft er auch Waren dazu, falls die Eigenproduktion zur Versorgung der Genossen nicht reicht. In letzter Konsequenz ist der Landwirt dann ein Angestellter der Genossenschaft. Auch ihm gehören Land und Hof nur in Höhe seiner Genossenschaftsanteile. Der idyllischen Vorstellung vom Familienbetrieb entspricht das nicht, doch das Modell kann funktionieren. Wer fängt an?